Archiv

Subheadline: Das fröhliche Wandbild im Stadtteil Wüste soll im kommenden Sommer vollendet werden
Startseite: 
15.09.2015

(15.09.2015) jfr Osnabrück. Ganz so lang ist der Eisenbahntunnel an der Limberger Straße im Stadtteil Wüste eigentlich nicht. Aber wer sich linker Hand in den Farbwelten der Fassadenmalereien von Angelika Walter verliert, der landet von nun an im tiefsten Dezemberschnee, noch ehe der Tunnel vorbei ist: Der „Musikexpress“ nimmt den Betrachter mit auf eine Reise durch das Jahr. In diesem Sommer hat die Künstlerin die Monate Oktober bis Dezember gemalt. Im nächsten Jahr will sie ihr Bild dann gänzlich vollenden



Künstlerin Angelika Walter
Foto: Hermann Pentermann

Spazierfreudige Wüstenbewohner konnten in den vergangenen Monaten verfolgen, wie aus 60 Quadratmeter Tunnelwand drei weitere „Zugfenster“ wurden, die den Blick in Walters fantastische Landschaftsgeschichten eröffnen. Diese Öffentlichkeit ist genau so gewollt. Beim improvisierten „Brückencafé“ kam die Künstlerin zwischen Campingstühlen mit den Menschen ins Gespräch. „Brücken verbinden Menschen, das finde ich spannend“, sagt sie, und ein Zug sei ein Ort der Begegnung. Auch die Musik, das zentrale Thema des Bildes, kommt dabei nicht zu kurz: „Leute kommen vorbei, mit Gitarre oder Akkordeon, und spielen hier unter der Brücke.“

Dass gerade diese Begegnungen sich immer wieder in ihrer Arbeit wiederfinden, zeigt besonders der letzte Waggon und dessen Passagier, ein Engel vor einer dunklen Winterwunderwelt. „Der Engel passt nachts auf die Passanten auf“, so die Künstlerin. Auf einem kleinen Schild steht „Security“. Dabei hat die Brücke ihre ursprüngliche Düsterkeit längst eingebüßt. Bereits 1986 begann Angelika Walter mit der Außenansicht des Musikexpresses, der die andere Tunnelwand ziert und aus allerhand Musikinstrumenten besteht.

„Geräusche in Kunstform sind Musik“, sagt Walter, und Geräusche, die durch das Echo des Tunnels bizarr verzerrt werden, seien hier keine Mangelware. Seit 2011 arbeitet die Künstlerin an der Innenansicht des Zuges an der südöstlichen Tunnelwand. Dort geht es nicht weniger musikalisch zu. Tina Turner und einer der legendären Blues Brothers reisen durch Walters Traumlandschaften.

Walter selbst beschreibt ihren Stil als fantastischen Realismus oder auch als leicht surrealistisch – ohne sich darauf festnageln lassen zu wollen. Das ist auch gar nicht nötig. Die Bürger in der Wüste nehmen den Ort inzwischen als kulturellen Treffpunkt an, zu Goethes Geburtstag am 28. August etwa fand ein Poetry-Slam zu Füßen des Literaten und Humanisten statt, der es sich im ersten Waggon bequem gemacht hat.

Dieter Höfner von der Bürgerstiftung Osnabrück, die das spendenfinanzierte Projekt maßgeblich fördert, schlug in seiner Festrede gleich mal den ganz großen Bogen zur aktuellen Flüchtlingspolitik: „Eisenbahnzüge mit Flüchtlingen transportieren heimatlose menschliche Schicksale, gestern, heute, morgen. So gesehen vermittelt das Bild eine ganz eigensinnige humanitäre Botschaft.“

Im Sommer 2016 soll es weitergehen mit den letzten Metern des Zuges. Wohin die Reise genau geht, will Angelika Walter noch nicht verraten. Nur einen Hinweis gibt sie: Auf dem Fenster mit dem Engel funkele das Sternenbild der „Leier“. Und mit der stieg der Sänger Orpheus bekanntlich in die Unterwelt.


Quelle: Neue Osnabrücker Zeitung vom 15.09.15





Termine