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04.08.2015

(04.08.2015) Osnabrück. Der in Mali geborene Osnabrücker Boubacar Sokona hatte eine Projekt-Idee: Kinder sollen Fahrrad fahren lernen und so besser integriert werden. Auf diese Idee hat ihn seine eigene Tochter gebracht. Mithilfe von zahlreichen Sponsoren und Unterstützern ist das Projekt realisiert worden.

Dass über den Schulhof der Teutoburger Schule fröhliches Kinderlachen schallt, Fahrradklingeln schellen und Kinder mit Laufrädern flitzen, ist an sich keine Besonderheit, auch in der Ferienzeit nicht. Doch die rund 35 Kinder, die jetzt über den Schulhof rollen und sich fröhlich zurufen, machen nicht nur einen nachmittäglichen Ausflug mit ihren Eltern.

Die Kinder im Alter von 3 bis 13 sind alle Flüchtlingskinder oder haben einen anderen Migrationshintergrund. „Viele von ihnen sind noch nie Fahrrad gefahren – auch ihre Eltern nicht“, erzählt Boubacar Sokona. Dabei sei das Fahrradfahren ein wichtiger Teil von Integration, sei es, um zur Schule zu fahren oder um etwas mit Freunden unternehmen zu können.

Die Idee, diesen Kindern das Fahrradfahren zu ermöglichen und so die Integration zu fördern, kam Sokona zu Hause. „Meine Tochter hat mich darauf gebracht.“ – „Papa, ich will Fahrrad fahren!“, habe der Wunsch der Dreijährigen gelautet. Und da sei ihm aufgefallen, dass er selber seit rund 13 Jahren kein Rad mehr gefahren ist, auch seine Frau fahre nicht, erzählt Sokona, der seit 2010 in Osnabrück lebt.

Sokona dachte weiter: Es ist kein Problem, ein Fahrrad zu bekommen – aber wie soll man seinen Kindern das Fahren und das korrekte Verhalten im Straßenverkehr beibringen? Vor allem, wenn ich es vielleicht selbst nicht beherrsche und fremd im Land bin? „Ich habe mir gedacht: Es muss doch vielleicht auch andere Eltern geben, die sich solche Fragen stellen“, erläutert der Malier den Kern seiner Projekt-Idee.

Zusammen mit seiner Arbeitskollegin Regine Ober startete Sokona das Projekt „Ein Fahrrad für Fatta“ – Fatta ist Boubacar Sokonas Tochter. „Ich war sofort begeistert von der Idee“, sagt Regine Ober. „Wir müssen uns interessieren und teilhaben an dem, was um uns he rum passiert.“

Zunächst galt es, andere Menschen für das Projekt zu gewinnen. Die Initiatoren kauften Fahrräder und baten Bekannte und Freunde, gebrauchte Fahr- und Laufräder zu spenden. „Die Menschen waren begeistert, wir haben viele Fahrräder zugesagt bekommen“, erzählt Boubacar Sokona. Natürlich war es damit nicht getan: Zu Fahrrädern gehört Zubehör, sie müssen verteilt werden, und für die Schulung braucht es Trainer. „Frauke Barske vom Fachdienst für Integration der Stadt Osnabrück hat uns beraten, an wen wir uns wenden können“, so Ober.

Von der Bürgerstiftung Osnabrück kam organisatorische, finanzielle und natürlich ideelle Unterstützung. Der Verein Osnabrücke spendete den Grundstock für zwölf Kinder: Räder plus Ausstattung wie Trinkflasche, Helm und Warnweste. Der ADFC sammelte, reparierte und spendete 16 Räder. Die Verkehrswacht Georgsmarienhütte übernimmt die Schulung der Kinder und deren Eltern. Die Fahr- und Laufräder dürfen die Kinder behalten.

Den Ablauf des Fahrradtrainings erläutert Claus Jür gen Mertens, Geschäftsführer der Verkehrswacht Georgsmarienhütte: „Heute schulen wir zunächst das Gleichgewicht. Dazu haben wir einen Parcours für die Laufräder und Roller aufgestellt und setzen auch Therapiekreisel ein.“ Der nächste Tag ist für das Erlenen und Üben des Fahrradfahrens vorgesehen. Der dritte und letzte Tag stehe dann unter dem Motto „Wie verhalte ich mich richtig im Straßenverkehr?“. 

Ein langfristiges Projekt

„Unser Ziel war es, zwölf Kindern das Fahrradfahren und das Verhalten im Straßenverkehr beizubringen – und jetzt sind es 35“, sagt Boubacar Sokona und muss lächeln. „Das ‚Problem‘ ist, dass viele Flüchtlingskinder und Kinder mit Migrationshintergrund zwar ein Fahrrad haben, aber nicht fahren können. Aber das ist natürlich wichtig.“ Dass die älteste Teilnehmerin schon 13 Jahre alt sei, sei auch nicht geplant gewesen. „Das ist aber nicht weiter schlimm. Wir planen, das Projekt längerfristig anzulegen“, erklärt Sokona. Heißt: Im nächsten Jahr sollen weitere Kinder geschult werden. Und diesjährige Teilnehmer könnten dann als Mentoren mithelfen.

Begegnung auf zwei Rädern an der Teutoburger Waldschule: Flüchtlingskinder und andere Kinder mit Migrationshintergrund lernen das Fahrradfahren und das korrekte Verhalten im Straßenverkehr. Foto: Thomas Osterfeld


Quelle: Neue Osnabrücker Zeitung vom 04.08.2015





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